Franz Winter: 1. Der Ordensstifter (Ausschnitt zu Rethra S. 27-29)


Franz Winter: 1. Der Ordensstifter (Ausschnitt zu Rethra) (PDF)

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… Ein Mann von Norberts Eifer für die Kirche konnte als Erzbischof von Magdeburg kein Jahr ruhig auf seinem Metropolitanstuhle sitzen, ohne ernstlichst an die Bekehrung der Wenden zu denken. War doch das Erzbisthum Magdeburg eigens zu dem Zwecke der Wendenbekehrung gestiftet und war doch in anderthalbhundert Jahren seines Bestehens noch so außerordentlich wenig erreicht. Ueberall im Bereiche seines Metropolitansprengels gab es noch heidnische Tempel. Dort suchte das Wendenvolk seine Priester; von christlichen Bischöfen wußten die meisten kaum dem Namen nach. Jeder Götzentempel muß dem Norbert eine Mahnung an seine Pflicht als Oberbischof der Mission gewesen sein. Alle die unzähligen kleinen Heiligthümer konnte er nun freilich nicht vernichten. Aber in seinem Sprengel lag auch der Haupttempel von Rethra, das Herz des wendischen Heidenthums. So oft er Erkundigungen über die Wenden einzog, erzählte man von diesem Hauptbollwerk. Es muß sich mit Nothwendigkeit in der Seele Norberts der Entschluß gefestigt haben, gegen dieses so bald als möglich einen Angriff zu unternehmen. Das Jahr 1126 ging natürlich damit hin, daß er sich in Magdeburg und in seiner engern Diöcese orientirte. Kurz vor Weihnachten weilte er aber wieder beim König Lothar in Straßburg. Norbert stand bereits viel zu hoch in der Gunst des Königs, als daß dieses Zusammentreffen vorübergegangen sein sollte, ohne daß sich beide über die Lage des Wendenlandes besprochen hätten. Lothar hatte nicht geringeres Interesse an der Gestaltung der Slavenlande. Die Verbindung derselben mit dem deutschen Reiche war unter den fränkischen Kaisern sehr locker geworden; sie mußte wieder fester geknüpft werden. So waren denn wohl beide bald einig, einen Zug über die Elbe zu unternehmen. Im Anfange des Jahres 1127 brachen sie von Magdeburg auf und nahmen ihre Richtung nach dem Tempel von Rethra. Sie berührten zunächst Havelberg. Dort herrschte Witikind über ein fast durchweg heidnisches Volk. Er leistete, wie es scheint, keinen Widerstand, unterwarf sich dem Könige und versprach zum nächsten Hoftage nach Merseburg zu kommen, um dort die Huldigung zu leisten. Zugleich verpflichtete er sich auf die Bekehrung seines Volkes zu dringen. Das Volk wurde zum Gehorsam gegen seinen geistlichen Obern, den Erzbischof Norbert, angewiesen und ihm zugleich eine bestimmte zehntartige kirchliche Abgabe auferlegt. War Norbert bei dem Zuge, wie es den Anschein hat, zugegen, so wird er nicht verfehlt haben, den Wenden die Vertilgung ihres Götzendienstes und die Annahme der Taufe anzubefehlen. Die Slaven gelobten alles zu thun, was man forderte.

So ging der Zug weiter nach Norden an den Müritzsee. Auch hier fand man keinen Widerstand, wie es scheint; dieselben Forderungen wurden von Seiten Lothars und von Seiten Norberts gestellt. Die Müritzwenden versprachen ebenfalls das Christenthum anzunehmen, die kirchlichen Abgaben zu leisten und dem Erzbischof sich unterzuordnen.

Von hier aus bog man um den Müritzsee herum und wandte sich gegen Rethra. Die im Nordwesten der Peene sitzenden Stämme unterwarfen sich dem König und schlossen sich dem Zuge gegen die Rhedarier an. Diese ganz isolirt konnten nicht daran denken, sich den Deutschen entgegen zu stellen. Entweder unterwarfen auch sie sich, oder, was wahrscheinlicher ist, sie zogen sich in ihre Sümpfe und Seenlandschaften an der Havel zurück und gaben Rethra mit dem Nationalheiligthum den Feinden preis. Stadt und Tempel gingen in Flammen auf. Man hatte erreicht, was man erreichen wollte: das Hauptbollwerk des wendischen Heidenthums war gefallen und das Volk hatte Gehorsam gegen König und Bischof gelobt. Diese Erfolge waren so außerordentlich leicht und schnell errungen, daß die Annalisten jener Zeit es für überflüssig hielten, diesen Zug mit zu vermerken und wir nur aus einer gelegentlichen Aeußerung darüber Kunde erhalten. Vielleicht versäumten es aber die Geschichtsschreiber darum von diesem Zuge zu reden, weil die Erfolge eben so schnell sich als völlig nichtig erwiesen[1].

Winter, Franz: Ausschnitt zu Rethra, in: Die Prämonstratenser des zwölften Jahrhunderts und ihre Bedeutung für das nordöstliche Deutschland, Ein Beitrag zur Geschichte der Christianisirung und Germanisirung des Wendenlandes, I. Der Ordensstifter, E. Schweigger’sche Hof-Buchhandlung, Berlin 1865 S. 27-29

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[1]    Siehe Excurs 4.

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