Gustav Oesten: Ueberreste der Wendenzeit in Feldberg und Umgegend.


Gustav Oesten: Ueberreste der Wendenzeit in Feldberg und Umgegend (1). (PDF)

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(30) Hr. G. Oesten bespricht die

Ueberreste der Wendenzeit in Feldberg und Umgegend. Bevor ich meine neuen Ermittelungen über Stadt und Umgebung von Feldberg in Mecklenburg-Strelitz vorlege, möchte ich zunächst einige Mittheilungen über die Hydrographie der Gegend machen, die für das Verständnis derselben von Wichtigkeit sind. Wie Sie aus der Kartenskizze, welche im Maassstabe (1 : 12500) nach der neuen Generalstabsaufnahme angefertigt ist, ersehen wollen, besteht ein wesentlicher Theil der Umgebung von Feldberg aus Wasserflächen. Die in der Karte dunkler gehaltenen Seeenflächen Haussee, Lucin, Zansen, Dreez und Carwitzer See, bilden ein zusammenhängendes System von gleicher Höhenlage des Wasserspiegels. Es wird einleuchten, dass die letztere für die Ausdehnung und Formation der Landflächen von Einfluss ist; ebenso wird ersichtlich sein, dass der Erdboden der Inseln und Halbinseln in gleicher Höhe mit dem offenen Wasserspiegel mit Wasser durchtränkt ist, Aufgrabungen also, sobald sie tiefer eindringen, als der Wasserspiegel liegt, in das Grundwasser gelangen müssen. Dieser Seeencomplex besitzt zwei natürliche Abflüsse, einen unterirdischen und einen oberirdischen. Der erstere hat seinen Weg vom Dreez-See aus durch die Bodenschichten des davor liegenden Erdrückens in den mit seinem Spiegel 9,5m tiefer liegenden Crüselin-See, aus diesem in die Havel, also in das Elbgebiet. Die Wassermenge, welche auf diesem Wege abgeführt wird, ist von natürlichen Verhältnissen abhängig, und daher bei der Constanz derselben auch eine ziemlich unveränderliche. Im 16. Jahrhundert ist wiederholt versucht worden, dieses natürliche Verhältniss zu verändern, das vorhandene Gefälle nutzbarer zu machen; diese Versuche haben damals aber einen dauernden Erfolg nicht gehabt. Hierüber sind Urkunden und Protocolle vorhanden. Der oberirdische Abfluss der Seen führt aus dem Carwitzer See (Meklenburg) in den Mellen-See (Brandenburg), und weiter in die Ucker, also in’s Odergebiet. Dieser Abfluss ist der menschlichen Einwirkung zugänglicher gewesen. Gegenwärtig führt derselbe nur Wasser ab, wenn der Wasserstand im See eine gewisse, zwischen Brandenburg und Meklenburg vertragsmässig vereinbarte, Höhe übersteigt. Zur Wendenzeit war dieser Abfluss erheblich tiefer angelegt, der Wasserstand des Seeen-Complexes daher ein entsprechend niedriger. Hierfür sind zahlreiche Beweise vorhanden. Mitten im Carwitzer See befindet sich eine Untiefe. Man sieht über derselben bei etwa 1,5 m Wasserstand durch das klare Wasser auf den Grund und darauf die Stümpfe von gefällten starken Eichen. Der Grund des Wassers war hier also einstmals festes Land; der Wasserspiegel befand sich entsprechend tiefer. Auf dem Jäger-Werder, einer Insel im Carwitzer See (bei 6 des Plans), habe ich im Jahre 1883 bei einer Grabung die Reste eines kleinen Einschmelzofens gefunden. Es waren Theile der konisch nach unten verjüngten Laibung des Ofens aus gebranntem Lehm vorhanden; der unterste cylindrische Theil des Ofens war noch mit Eisenschlacken gefüllt. Dieser Theil füllte sich aber bei der Ausgrabung mit Wasser, reichte also bis unter den gegenwärtigen Grundwasserstand hinunter. Zur Zeit des Betriebes dieses Ofens kann das Wasser so hoch nicht gestanden haben. In dem Durchstich vom Haussee nach dem Lucin befinden sich unter Wasser, sehr wohl erhalten, bis zu 40 cm starke, scharf vierkantig bearbeitete, eichene Pfähle, noch mit dahinter liegenden eichenen Bohlen, als eine bollwerkartige Uferbefestigung desselben. Diese jetzt versunkene Uferbefestigung hat für die gegenwärtige flache Lage der Uferränder keinen Sinn, sie beweist aber, dass einstmals hier ein erheblich tiefer liegender Durchstich vorhanden gewesen sein muss. Die über denselben führende Brücke heisst noch heute die „hohe Brücke“, ein Name, den sie einstmals mit Recht geführt haben wird, der ihr aber heute nicht mehr gegeben werden würde. Dieser ehemals tiefe Durchstich spricht zugleich dadurch, dass er den vertieften Abfluss in den Mellen-See (bei 1) als Vorfluth zur Voraussetzung hat, für den einheitlichen hydrographischen Charakter dieser Landschaft, ebenso aber auch für eine Einheitlichkeit des Gemeinwesens der Bewohner. Ein fernerer Beweis für den ehemals, und zwar zur Wendenzeit, niedrigeren Wasserstand ist die Burg Feldberg auf der jetzigen Amtshalbinsel, dem Amtshof. Diese Burg kann frühestens unmittelbar nach dem Ende der Wendenzeit, also um die Mitte oder gegen das Ende des 13. Jahrhunderts erbaut worden sein. (Um 1244 wurde die Stadt Friedland gegründet, um 1248 Neubrandenburg und Lychen, 1292 Kloster Wanzka, 1298 die Johanniter-Commende Nemerow, 1299 Kloster Himmelpfort u.s.w.) Von derselben sind noch die starken Umfassungsmauern mit 2 achteckigen Pfeilern in der Mitte und der untere Theil des Thurmes vorhanden. In den Mauern sieht man noch die tiefen und geräumigen Fensternischen mit Ueberresten der gemauerten Sitze und Kannrückchen; Alles in etwas roher, aber doch charakteristischer Ausführung. Aber der Fussboden dieser Burgräume liegt 2,5 m unter dem jetzigen Terrain. Der einstige Rittersaal dient jetzt als Kartoffelkeller für das über demselben erbaute Amtshaus. Beim Bau der Burg war noch der niedrige Wasserstand vorhanden. Unter dem später ansteigenden Wasser ist das Terrain um die Burg versunken. Die von dem jetzigen Inhaber, dem Grossherzogl. Drosten Kammerherrn von der Lancken, freundlichst gestatteten Aufgrabungen lehren, dass man Boden aufgeschüttet hat, um wieder Raum über Wasser zu gewinnen. Ueber die alten Räume hat man alsdann Tonnengewölbe geschlagen und hierauf die neuere Bebauung ausgeführt. Die Oberfläche der alten Wendenzeit aber liegt hier unter dem Schutte der nachfolgenden Jahrhunderte, und zum grossen Theil unter dem gegenwärtigen Wasserspiegel begraben. Es wird einleuchten, dass der Punkt, wo der Abfluss aus dem Seensysteme in die Ucker stattfindet, von jeher für den Wasserstand, die Ufer und die Besiedelung derselben von der grössten Wichtigkeit gewesen ist. Als nach der Wendenzeit dieser Abfluss verfiel, der Wasserstand in den Seen wuchs, entstanden dadurch grosse Uebelstände. Inzwischen (1304) war das Land Stargard, von Brandenburg abgetrennt, als Mitgift der Beatrix an den Herzog Heinrich von Meklenburg gekommen. Durch eine alsdann folgende geringe Verschiebung der Grenze, wie im Plan ersichtlich, war dem ersteren die Verfügung über den Punkt der Vorfluth verloren gegangen; hieraus entstanden im XVI. Jahrhundert politische Verwicklungen zwischen Meklenburg und Brandenburg, über welche ausführliche historische Nachrichten vorhanden sind. Die Erhöhung des Wasserstandes hat, bezüglichen der wendischen Reste, zur Folge gehabt, dass ein ansehnlicher Theil derselben vom Wasser überdeckt worden ist und sich daher besser erhalten hat, als dies sonst der Fall gewesen sein würde. Zugleich ist jedoch dieser Umstand von ungünstigem Einflusse auf die Zugänglichkeit und Erlangung der Alterthümer. Complicirt wird dieses Verhältniss da, wo zugleich eine erhebliche Verlandung der Wasserflächen durch Anschüttung und durch allmähliche Anhäufung von Culturresten, wie auf der Halbinsel Feldberg, welche fortdauernd besiedelt gewesen ist, stattgefunden hat. Schematisch dargestellt liegt hier die Sach so: (Abb.) Es bezeichnen A B den Wasserstand zur Wendenzeit, C D den gegenwärtigen, E F G die Bodenoberfläche zur Wendenzeit, H I K die gegenwärtige. Gräbt man bei a in den Boden, so findet man, unter einer verhältnissmässig flachen modernen Schicht, die Oberfläche der wendischen Cultur im Trocknen, bei b dagegen bereits tiefer und unter Grundwasser, und bei c dasselbe in höherem Maasse. Die Schwierigkeiten der Ausgrabung nehmen mit der Wassertiefe so schnell zu, dass man mit gewöhnlichen Geräthen und Arbeitskräften häufig kaum bis auf die alte Oberfläche vorzudringen im Stande ist. Ich gehe nun dazu über, die an Ort und Stelle vorhandenen und aufgefundenen Ueberreste der wendischen Cultur aufzuzählen und einige Fundstücke vorzulegen. Zunächst die mehrfach erwähnte und in den Grenzprotocollen von Erasmus Behm 1556 und Tilemann Stella 1578 beschriebene alte Landwehr, welche als „geduppelter Graben mit Wall“ von den Fürstenwerder’schen Seen durch eine Kette von Brüchen nach dem Krewitz-See geführt war, sich zwischen Mellen- und Carwitz-See, dann zwischen Dreez- und Crüselin-See fortsetzte, und deren weitere Fortsetzung zwischen Godendorfer und Drewen-See ich in einem früheren Berichte (1884) nachgewiesen habe. Es dürfte kaum noch einem Zweifel begegnen, dass diese alte Landwehr die Grenze des Gaus der Redarier gebildet hat, und zwar wahrscheinlich bis zum Krewitz-See mit den Ukrern, von da an mit den Rezenen. Der hervorragende Punkt in dieser alten Umwallung ist das eiserne Thor, zwischen Mellen- und Carwitz-See (bei 1), Isenporte in den Urkunden oft genannt. Dasselbe stellte sehr wahrscheinlich einen Haupteingang, und zwar jedenfalls einen stark befestigten, in den Redarier-Gau dar, umfasste aber auch den wichtigen hydrographischen Schlüssel in der Landschaft, die Abflussschleuse des Seen-Complexes. Noch in den genannten Urkunden des XVI. Jahrhunderts ist bemerkt, dass hier der Graben dreidoppelt und wohl 2 Ruthen tief war, und ein Weg darüber führte. Die Stelle heisst noch heute „Iser Purt“. Hieran schliessen sich die Brücken im Carwitzer See, welche von einer Insel zu anderen über denselben führten, über welche mehrmals berichtet ist (3, 4, 5, 6 im Plan). Auf den Inseln und Halbinseln des Carwitzer Sees, sowie an den Ufern desselben, des Lucin und Dreez, finden sich überall Ueberreste der wendischen Zeit. Von den von mir gefundenen Sachen erlaube ich mir vorzulegen: mehrere Tafeln mit zum Theil reich ornamentirten Gefässscherben, ein in den Verh. Jahrgang 1882 besprochenes kleines Feuerstein-Instrument, mehrere Spinnwirtel, ein eisernes Beil, Messer u.s.w. Auf der Karte sind diejenigen Flächen, wo bis jetzt wendische Reste gefunden worden sind, schraffirt dargestellt. Die Ausgrabung derselben lässt sich, soweit sie nicht unter Wasser liegen, bei Carwitz verhältnissmässig leicht bewirken, weil die wendische Schicht hier nur an wenigen Stellen von einer späteren Culturschicht überlagert ist, dagegen findet man an manchen Punkten, unterhalb der wendischen Scherben, solche aus vorwendischer Zeit, von welchen auch einige auf den Tafeln zu sehen sind; dieselben sind von dem wendischen Fabrikat leicht zu unterscheiden. Von den Ueberresten der wendischen Cultur in Feldberg selbst habe ich bereits die Uferbefestigung in dem Durchstich zwischen Haussee und Lucin bei D (fehlt auf dem Plan) erwähnt. Auf der Halbinsel Feldberg stösst man vielfach auf Reste von Bauten aus Eichenholz, und zwar regelmässig da, wo der Culturboden der alten Zeit unter dem jetzigen Wasserstande liegt, das Holz sich also hat erhalten können. Auf dem Specialplan S. 91 ist die Halbinsel Feldberg in ihrer jetzigen Gestalt mit der gegenwärtigen Bebauung, sowie, punktirt, diejenige Umrissform dargestellt, welche von der früheren Oberfläche über den jetzigen Wasserstand hervortreten würde, wenn man sich die durch den Culturschutt der späteren Jahrhunderte allmählich gebildete Verlandung, wie ich dieselbe durch meine Aufgrabungen ermittelt habe, fortgenommen denkt. Die Insel Feldberg würde hiernach aus 2, durch eine schmale Landenge (bei T²) verbundenen grösseren Theilen und einem, eine kleine Insel bildenden, dritten Theil bestehen. Könnte man nun auch den Wasserspiegel auf seine Höhe zur Wendenzeit zurücksenken, so würde namentlich die östlich von T³ gelegene Insel an Oberfläche wieder gewinnen und vielleicht mit dem Haupttheil nahezu wieder zusammenstossen, so dass eine eigenthümliche Dreigestaltung der Insel Feldberg noch mehr hervortreten würde. Ausser dem in meinem vorjährigen Berichte genannten Funde von Holzbauten habe ich gefunden: Auf der Amtsinsel (d 8) in 1,8 m Tiefe im Boden und 0,4 m unter Wasser zwei rechtwinklig übereinander liegende behauene eichene Balken. Bei 2,8 m Tiefe unter Terrain und 1,4 m Tiefe im Grundwasser habe ich hier die alte Bodenoberfläche nicht erreicht. Ferner einen Holzbau, aus vier eichenen Pfählen und zwei wagerechten eichenen Balken bestehend, am einstigen Ufer der Hauptinsel beim jetzigen Weidendamm in b 8, 14 m unter Terrain-Oberfläche, anscheinend eine Uferbefestigung oder Theile der früheren Brücke. Ferner fünf weitere Pfähle der Brücke von der Hauptinsel nach der Amtsinsel (Amtshof) in c 8, so dass diese Brücke durch sieben Pfähle jetzt vollständig constatirt ist. Die Pfähle bestehen aus Eichenholz, sind 20 bis 25 cm stark, vierkantig behauen, und stehen in nur 1,3 m Abstand einander gegenüber. An einer Stelle fand ich noch einen Längsholm in verschobener Lage. Die Brücke war also fest gebaut, jedoch nur schmal, kann nicht für Fuhrwerk, kaum für Reiter gedient haben, wurde daher wahrscheinlich nur für Fussgänger benutzt. Die Brückenpfähle waren zunächst durch einen Längsholm an jeder Seite verbunden, auf welchen erst die Querverbindung stattfand. An einer Stelle steckte neben dem Hauptpfahl ein kleinerer Pfahl im Morast, von dem die Spitze erhalten war. Diese habe ich herausgenommen und lege sie hier vor. Sonst sind alle Pfähle und Holzbalken in ihren Stellen verblieben, ich habe dieselben nur geometrisch festgelegt, so dass ich sie zu jeder Zeit wieder auffinden und an Ort und Stelle vorzeigen kann. Auf der Karte sind die Stellen, wo Eichenholz und Pfähle vorhanden sind, mit E bezeichnet, die Fundstellen von Topfscherben und anderen Stücken mit S. Von den kleineren Fundstücken auf der Halbinsel Feldberg lege ich vor: mehrere Tafeln mit ornamentierten Gefässscherben, Eisensachen, Messer, Pfeilspitze, einen Kamm aus Knochen, ein Gefäss mit Wellenverzierung, in Bruchstücken, aber ziemlich vollständig, den unteren Theil eines Gefässes, ein kleines Gefäss, eine Anzahl geschlagener Feuersteine, an einer und derselben Stelle auf der Amtsinsel gefunden, einen Spinnwirtel, einen eigenthümlichen Stechschlüssel aus bronzeartigem Metall, auf der einen Seite gezeichnet, anscheinend durch den Gebrauch verbogen. An Masse und Ornamentierung der Scherben werden Sie die vollständige Uebereinstimmung derselben mit den Carwitzer bemerken. Es sind jedoch auch Scherben von jener blaugrauen Masse dabei, welche jedenfalls schon der nachwendischen, christlichen Zeit angehören. Ich bemerke aber, dass ich alle Zwischenstufen zwischen diesen und den groben, älteren, wendischen Gefässscherben, vorlegen kann, so dass es schwer sein dürfte, zu bestimmen, wo die christliche Zeit anfängt und das Wendenthum aufhört. Ich habe ferner noch Fundstücke von dem auch bereits bekannten Schlossberg-Burgwall vorzulegen: wieder mehrere Tafeln mit ornamentirten Gefässscherben, deren Uebereinstimmung mit den Feldberger und Carwitzer in die Augen springt und die Zusammengehörigkeit dieser Culturstätten darthut, ferner Knochenpfrieme, bearbeitete Feuersteine und einen schön verzierten grossen Hornkamm. An dem Schlossberg-Burgwall ist die Lage auffallend und bemerkenswerth: dieselbe ist in einem gewissen Abstande vom Haussee, jedoch so gewählt, dass der Burgwall den Zugang zu Feldberg von Norden beherrscht. Hierbei muss erwähnt werden, dass die Uferbildungen des Haussees für befestigte wendische Ansiedelungen vielfach besonders geeignete Punkte darbieten, dass aber auffallender Weise hier nirgends Spuren davon zu finden sind, ausser auf der Insel Feldberg selbst. Nach der Karte von Tilemann Stella von 1578 ist damals noch fast rund um den Haussee herum Wald vorhanden gewesen. Endlich muss ich noch eine Anlage hier wieder erwähnen, die in ähnlicher Beziehung zu Feldberg gestanden haben mag, wie der Schlossberg. Das ist der sogenannte „Hünenkirchhof“ im Hullerbusch, eine Umwallung, welche so liegt, dass man von ihr aus sowohl die Brückenstrasse von Carwitz überblicken, als auch nach Feldberg hineinsehen kann, und ausserdem so, dass sie den über den Hullerbusch und Carwitz möglichen Zugang nach Feldberg, ganz so, wie der Schlossberg die Strasse von Norden her, beherrscht. Es ist kaum anzunehmen, dass die Lage dieser Burgwälle eine zufällige und planlose sein sollte, vielmehr ist ersichtlich, dass sie Glieder einer geordneten, die Einheit eines Gemeinwesens verrathenden Besiedelungssystems sind, welches sich hier an den Ufern der Seen ausbreitete. Innerhalb dieser alten Umwallung habe ich bis jetzt noch nichts finden können, dagegen habe ich in dieser selbst die Fundamente einer auf eigenthümliche Weise hergestellten, etwa 1 m starken Mauerung gefunden. Der die Fugen der Feldsteine ausfüllende Mörtel besteht nämlich, allem Anscheine nach, aus einem Gemisch von Lehm, Kalk, Asche und Kohlenpartikeln und bildet gewissermaassen einen auf rohe Weise zubereiteten Cement, besitzt auch eine nicht unerhebliche Festigkeit. Augenscheinlich hat man zum Bau der Mauer Lehm und Kalk mit Holz abwechselnd geschichtet, die ganze Packung heruntergebrannt, dann die Steine auf die gebrannte Masse gesetzt und die Fugen derselben, vielleicht unter Zugabe von Wasser, damit ausgefüllt. Die Art der Herstellung dieses Mauerwerks würde wohl seine Zugehörigkeit zur Wendenzeit bestätigen. Ich habe vor einigen Jahren die Vermuthung ausgesprochen, dass in dieser Landschaft das vielgesuchte Rethra gefunden werden könnte, und zwar das Heiligthum auf den Carwitzer Inseln. Die damalige Besichtigung und Prüfung der Oertlichkeit durch Mitglieder der anthropologischen Gesellschaft und die weiteren Nachforschungen haben meiner Vermuthung eine andere und, wie ich glaube, besser begründete Richtung gegeben. Gestatten Sie mir, zu zeigen, wie die Ortsangaben der beiden bekannten Chronisten, Thietmar von Merseburg und Adam von Bremen, auf die vorliegende Oertlichkeit angewendet werden können, ohne dass man nöthig hat, das Eine oder das Andere ihrer anscheinend zwar unvollständigen und nicht nach eigener Wahrnehmung, jedenfalls aber doch sorgfältig und gewissenhaft gemachten Angaben auszuschliessen oder in Zweifel zu ziehen, und wie die zwischen beiden scheinbar vorhandenen Widersprüche sich dabei lösen. Thietmar sagt: es ist eine „urbs quaedam“, eine Art urbs im Gau Riederierun, Riedegost mit Namen (Amtsbezirk Feldberg), die von einem heiligen Hain umgeben ist (derselbe würde rings um den Feldberger Haussee zu denken sein); dieselbe ist „tricornis“, dreihörnig und enthielt „in se continens“ drei Thore, je eines für jedes cornu. Tricornis darf meines Erachtens nur mit dreihörnig übersetzt werden und setzt die Lage im Wasser voraus. Horn ist ein Landvorsprung im Wasser. Es ist ein amtlicher Bericht des herzoglichen Raths Tilemann Stella vom Jahre 1578 vorhanden, der eine Beschreibung des Carwitzer Sees enthält; in demselben heisst es: „der See hat hin und wieder Hörner, Krümmen, Kanten und Winkel u.s.w.“ Der Ausdruck war damals mithin schriftgemäss; er wird noch heute gebraucht, ich erinnere nur an „Schildhorn“. Eine urbs tricornis bedeutet daher: eine im Wasser liegende, aus drei Landvorsprüngen bestehende, wie die Amtsinsel Feldberg früher gewesen). Es heisst bei Thietmar weiter: Zwei Thore (T¹ und T² im Plan) waren allen Besuchern geöffnet, das dritte (T³), kleinste, welches nach Osten gerichtet war (nach dem Amtshof Feldberg), durfte nur von den Opfernden betreten werden, und zeigte auf einen Pfad am See und auf einen gar furchtbaren Anblick (Thietmar setzt also die Lage im Wasser voraus). Adam von Bremen berichtet von der weltbekannten civitas Rethre (pagus Riederierun bei Thietmar?, das ganze besiedelte Seenthal vom eisernen Thor bis Feldberg) im Lande der Redarier, Sitz des Götzendienstes. Dort ist für die Götter, deren Haupt Redigast war, ein templum aufgerichtet (Amtshof Feldberg); eine hölzerne Brücke führt hinüber, über welche nur den Bescheid Suchenden der Zutritt gestattet ist (wie bei Thietmar; es ist auch zu bemerken, dass bei beiden Chronisten der Name Riedegost, bezw. Redigast mit derselben örtlichen Stelle verknüpft erscheinen würde). Die „civitas“ selbst, sagt Adam weiter, ist undique lacu profundo inclusa, allenthalben von einem tiefen See umfasst (den vollen Eindruck hiervon wird man haben, wenn man den Weg vom eisernen Thor nach Feldberg zurücklegt), hat 9 Thore (hintereinander liegend zu denken, vom eisernen Thor bis nach dem Amtshof Feldberg), neunfach umschliesst die Styx die, welche den Götzen dienen, also das templum. (Hierzu ist zu bemerken, dass vom eisernen Thor bis nach dem Amtshof Feldberg 8 Uebergänge über Wasserarme mittelst Brücken thatsächlich festgestellt sind, nehmlich bei den Punkten 1 und 3-9 des Plans. Der neunte Uebergang wird sich bei Punkt 2, dem Conower Ziegenberg, finden, derselbe bildet noch heute bei hohem Wasserstande eine Insel. Da er landwirthschaftlich zu Conow gehört, ist der früher trennende Wasserarm wahrscheinlich verschüttet. Mehr als 9 Wasserübergänge sind nicht möglich. Wenn meine Vermuthung eine begründete ist, so wird ein entscheidender Fund in der urbs Riedegost, an dem Ort des templum des Redigast, dem heutigen Amtshof Feldberg, gemacht werden müssen. – Hr. Virchow: Die beiden Hauptstellen bei Thietmar und Adam von Bremen sind seiner Zeit von Hrn. Alfred G. Meyer (Verhandl. 1881. S. 270) ausführlich besprochen worden. Dabei ist auch der Gebrauch der Bezeichnung urbs (bei Thietmar) und civitas (bei Adam) dargelegt (ebendas. S. 273) und die Möglichkeit zugestanden worden, dass urbs die Stadt, civitas den Gau bedeutet habe. Wie es scheint, legt Herr Oesten diese Unterscheidung seiner Auslegung zu Grunde.- Hr. Oesten bestätigt dies. – Hr. Virchow: Ich habe erst neulich (Verh. 1886. S. 569) bei Gelegenheit der Besprechung von Niemitsch eine päpstliche Urkunde von 1205 erwähnt, in welcher von Civitates Niempze und Çprewe „offenbar in dem Sinne von Landschaften oder Gauen (Burgwarden)“ die Rede ist. Die Möglichkeit, dass in diesem Sinne auch von einer Civitas Rethre gesprochen werden konnte, dürfte damit dargethan sein. Es fragt sich nur, ob an der betreffenden Stelle bei Adam nicht besondere Gründe gegen eine solche Annahme sprechen, und dies scheint mir der Fall zu sein. Denn es heisst: Civitas ipsa novem portas habet, undique lacu profundo inclusa, pons ligneus transitum praebet etc. Hier ist offenbar nur von einem See die Rede, in welchem die Civitas ipsa gelegen ist. Dies passt auf die Landschaft oder den Gau nicht. Wenn man die Autorität Adam’s anerkennt, so wird man also auch Civitas im Sinne von Urbs, wie Thietmar sagt, nehmen müssen; dem widerstreitet auch die Annahme, dass Feldberg als Rethra zu deuten sei, nicht. Oesten, Gustav; Virchow, Rudolf: Ueberreste der Wendenzeit in Feldberg und Umgegend (1), in: Zeitschrift für Ethnologie, Jahrgang 19, 1887 Sitzung vom 15. Januar 1887, S. 87-94

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