Gustav Oesten: Bericht über den Fortgang der Rethraforschung (1908) PDF
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Bericht über den Fortgang der Rethraforschung.
Von
G.Oesten.
In meinem letzten Bericht über die Ergebnisse der Rethraforschung (Seite 1006 – 1014 der Zeitschrift für Ethnologie 1906) hatte ich als die nächsten Ziele der Nachforschung das Hörnerfundament des Tempelbaues bei der Fischerinsel und den Inhalt des Blankenburgs Teiches bezeichnet.
Nachdem am 27. August 1907 von dem Grossherzoglichen Kabinetsamt eine örtliche Besichtigung dieses Bruches abgehalten war, wobei eine Darlegung der auszuführenden Grabungen meinerseits stattgefunden, und nachdem ich durch Schreiben der genannten Behörde vom 9. September 1907 die Genehmigung zur Vornahme der Arbeiten erhalten hatte, habe ich mit den letzteren am 19. September 1907 begonnen. Form und Ausdehnung des Bruches ist in der Planskizze Fig. 1 wiedergegeben. Sein Zustand war beim Beginn der Arbeiten folgender: Es hat von oben einen ziemlich starken Quellzufluss und war bis auf die Oberfläche der Sumpfvegetation mit Wasser gefüllt. Man konnte in das Bruch nicht eindringen, ohne zu versinken. Durch den vorhandenen, aber bis zum Wasserspiegel verschlammten Abzugsgraben nach der Lieps floss kein Wasser ab; hieraus war zu schliessen, dass alles durch die Quelle zugeführte Wasser unter dem sich bildenden Wasserdruck in den durchlässigen Untergrund versinken musste.
In der Tat kommt das Grundwasser 5 – 10 m tiefer am Abhange nach dem Liepssee zu nach einem unterirdischen Wege von 150 – 150 m Länge aus den wasserführenden Schichten wieder zutage.
Die gewölbte steinerne Brücke, welche den Weg von Usadel nach Prillwitz über den Abzugsgraben führt, war in sehr baufälligem Zustande. Bei der zur Entwässerung des Bruches notwendigen Vertiefung des Grabens musste sie zusammenfallen. Es wurde daher zunächst über die gewölbte steinerne Brücke zur Entlastung derselben eine genügend tragfähige hölzerne gelegt und dann der Abzugsgraben auf eine Länge von etwa 80 m um 1,5 m vertieft. Die Vertiefung wurde, soweit es erforderlich erschien, mit Bohlen, Brusthölzern und Spreizen ausgesteift.
Bei der Aussteifung dieses vertieften Abzugsgrabens fand ich in der Sohle desselben, unmittelbar an der Brücke und in ihre Feldsteinwiderlager noch eingebaut, die abgewitterten Stümpfe von zwei starken eichenen Pfählen, Fig. 2 und 3. Die inneren, einander gegenüberstehenden Flächen derselben haben einen Abstand von 28 cm voneinander, sind glatt bearbeitet; jeder der beiden Pfähle ist mit einer in die gerade lotrechte Fläche eingearbeiteten Nute von 50 mm Breite und Tiefe versehen, die sich genau gegenüberstehen, und bekunden, dass sie mal einer Wasserschütze als Führung gedient haben. Diese Nuten setzen sich noch unter der Sohle des neu aufgeworfenen Grabens, welche 3 m tief unter der Oberfläche der Brücke, gleich der Höhe des den Teich umgebenden Bodens, liegt, fort. Wie tief, ist noch nicht ermittelt. Jedenfalls ist in alter Zeit eine Vorrichtung und ein Interesse vorhanden gewesen, den Blankenburgs Teich entleeren und bespannen zu können. Man kann hierbei zunächst an die Benutzung des Teiches als Fischteich denken. Diese müsste aber in sehr alter Zeit geschehen sein, weil die eichenen Pfähle bereits in dem gegenwärtigen abgewitterten Zustande, von dem Fundament der Brücke umschlossen, sich vorfinden. Das Brückengewölbe aber ist von Ziegelsteinen in dem sog. Klosterformat ausgeführt, kann also selbst schon einige Jahrhunderte alt sein.
Auf die mögliche Bedeutung dieser Schützenpfähle komme ich nachher zurück.
Nachdem die Entwässerung des Moores durch den vertieften Graben genügend
vorgeschritten war, zog ich die Gräben a1 bis a5, Fig. 1, durch den trocken gewordenen Bruchboden. Es ergab sich, dass das Moor in dem entwässerten Zustande fast überall etwa 80 cm stark war und dass es auf festem und reinem Diluvialsand und Kies lag. Stellenweise war zwischen beiden Schichten eine geringe, dunkler gefärbte Moorschicht zu bemerken. Eine Ausnahme von der Regel machte zunächst eine grössere Stelle bei a1, wo der Moorboden sich vertiefte und mit der Sonde eine grössere Auskolkung in dem festen Geschiebeboden festgestellt wurde. Als der Graben a5 bis b vorgetrieben war, fand sich hier eine wesentlich andere Schichtung vor. Unter dem hier 60 cm starken jüngeren Moor wurde zunächst eine schwache Schicht von grauem Sand, dann eine schwarze Brandschicht von etwa 15 cm Stärke durchstochen und unter dieser vermischter aufgetragener Boden vorgefunden, welcher auf dem festen Geschiebe aufliegt. Bei der Erweiterung der Aufgrabung von b, Fig. 4, aus nach g und h zu wurden einige Topf-Scherben, Knochen und stark verwitterte Holzstücke gefunden. Ich hielt diese Stücke zunächst für wendische Reste und glaubte, dass die Aufschüttung dem Zwecke dienen sollte, eine darunterliegende Grube mit dem gesuchten Rethraschatz zu bedecken. In dieser Vermutung wurde ich durch das Auffinden einer Bretterlage bei i, zwar stark vermodert, in der Form aber deutlich erhalten, bestärkt. Diese Bretterlage auf der Bodenaufschüttung machte vollkommen den Eindruck, dass sie dazu angebracht sei, etwas zu bedecken. Diese Vermutung bewährte sich nicht. Je mehr die Ausgrabung von g, h und k aus nach l vorschritt, desto mehr nahm die Stärke der Bodenaufschüttung ab, desto mehr senkte sich aber die schwarze Brandschicht in die Tiefe, wie das Schema Fig 5 zeigt.
Zu beiden Seiten von l in der grössten Tiefe der Grube von 2,5 bis 3 m wurde alsdann eine grössere Anzahl Langhölzer aufgedeckt. Sie liegen, wie in der Zeichnung angegeben, durcheinander, sind stark verwest, nur das Kernholz ist geblieben, aber auch so weich, dass es mit dem Spaten leicht durchstochen werden kann. Die Hölzer sind gerade Stücke, wie Bauholz. Sie machen in ihrem Durcheinanderliegen ganz den Eindruck eines zusammengestürzten Bauwerkes, dessen Bedachung der erwähnte Bretterboden gewesen sein kann. Die bei den Hölzern in und auf der schwarzen Schicht gefundenen Knochen sind sehr dunkel gefärbt, rissig, an den Oberflächen verwittert, ebenso die Scherben. Wo bei diesen die Oberfläche erhalten ist, zeigt sie sich schwarz und geglättet und lässt erkennen, dass der Topf mit der Hand ohne Töpferscheibe geformt war.
Ich lege Proben dieser Funde hier bei.
Dazu wurde ein gut geformtes und geschliffenes Steinbeil gefunden.
Es ist natürlich unmöglich, diesen Befund in eine Beziehung zur Wendenzeit zu bringen. Es kann sich meines Erachtens nur um die Reste eines Pfahlbaues aus der Steinzeit handeln. Der aufgetragene vermischte Boden, von dem ich wähnte, dass er etwas Vergrabenes bedecken sollte, ist nichts anderes als der Aushub zur Herstellung einer künstlichen Vertiefung im Grunde des Teiches, zur Herstellung der erforderlichen schützenden Wassertiefe um den Pfahlbau, der hierbei nach allen Seiten hin ausgeworfen wurde. Die schwarze Kulturschicht, die darüber lagert und vom Wasser gleichmässig bis an die Ufer verteilt ist, stellt die ausgefaulten und vom Wasser ausgelaugten Besiedlungsreste der Pfahlbaubewohner dar und bezeichnet zugleich die Form des Teichbodens zur Steinzeit, auf welchem die Wirtschaftsreste sich ablagerten. An dem ausgeworfenen Boden ist bemerkenswert, dass die einzelnen Stücke der verschiedenen Bodenarten, wie Moor, Kalk, Sand, sich scharf gegeneinander abgegrenzt vorfinden.
Dies könnte nicht statthaben, wenn die Ausbaggerung der Pfahlbaugrube unter Wasser vorgenommen worden wäre. Hierbei hätten die verschiedenen Materialien miteinander verschwimmen und ein verschwommenes Aussehen auch behalten müssen. Dies ist nicht der Fall. Die Ausschachtung der Pfahlbaugrube kann nur im trockenen Boden vorgenommen worden sein. Das Teichbett muss zu dieser Arbeit tief entwässert gewesen sein.
Hiernach komme ich auf die Pfahlreste der Schütze im Abzugsgraben zurück. Es kann die Möglichkeit wohl nicht in Abrede gestellt werden, dass diese tief angelegte Schütze bereits zur Steinzeit bestanden hat und benutzt worden ist. Sie hätte den Pfahlbauern den Vorteil geboten, die Höhe des Wasserstandes um ihre Bauwerke zu regeln und festzuhalten. Man kann dann auch annehmen, dass mehrere Pfahlbauten in dem Blankenburgs Teich, auch in dem oberhalb desselben belegenen grösseren Bruch bestanden haben können.
Ein Anhalt für diese Annahme ist vorhanden. Eine ganz ähnliche Vertiefung im Teichboden wie die besprochene ist, wie ich bereits erwähnte, bei a1 Fig. 1 vorhanden, eine gleiche befindet sich bei d. Beide habe ich durch Sonde und Bohrer bereits festgestellt.
Die Zurückführung der aufgedeckten Schütze auf die Steinzeit würde nicht ausschliessen, dass der zur Fischzucht ausserordentlich günstig gelegene Teich zur Klosterzeit auch als solcher benutzt worden ist. Hierfür spricht die auf vertieftem älteren Moor aufgetragene Sandschüttung b im Profil Fig. 5. Die Mönche waren erfahrene Fischzüchter, sie wussten, dass Moorboden ein für die Fischernährung ungünstiger Teichboden ist, und bedeckten ihn mit Sand. Der Teich liegt von der Johanniter-Comthurei Klein-Nemerow etwa 6 km, von dem Nonnenkloster Wanzka 6 km und von der Burg Prillwitz 2 km in der Luftlinie entfernt, eine Bewirtschaftung des Teiches von einem dieser Punkte aus war also sehr wohl möglich. Für die Klosterzeit war ein ausreichender und sicher zugänglicher Fischbestand ein dringendes Bedürfnis.
Wenn zu dieser Zeit der Blankenburgs Teich ein Fischteich war, so wurde er zeitweise entleert, auf dem Teichboden wurde gearbeitet. Dabei konnte leicht die in diesem vorhandene Bodenaufschüttung bemerkt, die Kenntnis gewonnen werden und im Volke Verbreitung finden, dass hier irgend etwas vergraben sei. Als dann vor vielleicht 150 Jahren die Rethraforschung begann, der Radegast gesucht wurde, kann wohl eine Verschmelzung der Rethrasage mit dem Geheimnis des Blankenburgs Teichs Eingang gefunden haben.
Von diesem Gesichtspunkt aus muss die Hoffnung, im Blankenburgs Teich einen Rethratempelschatz zu finden, wesentlich abgeschwächt erscheinen. Obgleich die Möglichkeit, dass trotz des bisherigen negativen Resultats der Forschung nach dem Tempelschatz die Sage Recht behält, nicht ausgeschlossen werden kann, wird es vermutlich zurzeit nicht angehen, in dieser Richtung für die Erforschung des Blankenburgs Teichs weitere Mittel zu verwenden, zumal die bereits entstandenen Kosten den ausgesetzten Betrag überschreiten.
Dagegen erscheint mir die im Blankenburgs Teich gemachte Entdeckung für die Erforschung der Steinzeit so wichtig, dass sie eingehend geprüft und weiter verfolgt werden sollte, wozu sich Kräfte und Mittel wohl finden dürften.
Soviel ich weiss, sind steinzeitliche Pfahlbauten in Norddeutschland kaum nachgewiesen. Man hat sie vielleicht an den Ufern grösserer Wasserbecken gesucht. Hier aber hätten sie in unserem Klima nicht bestehen können, weil der unter Druck des Windes in jedem Frühjahr stattfindende Eisgang sie bald zerstört haben würde. Dagegen sind kleine, geschützt liegende Teiche und Brüche mit ständigem oder regulierbarem Wasserstand geeignete Plätze für Pfahlbauten, und an solchen Stellen, wie im Blankenburgs Teich, werden sie zu finden sein.
Oesten, Gustav: Bericht über den Fortgang der Rethraforschung, in: Zeitschrift für Ethnologie, Jahrgang 40, Heft 4, 1908, S. 559-564
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