Gustav Oesten: Bericht über den Fortgang der Arbeiten zur Rethra-Forschung (1905) (PDF)
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Abbildungen fehlen aufgrund mangelnder Qualität und werden später eingefügt
(11) Hr. Voss überreicht im Namen der Rethra-Kommission den
Bericht des Herrn G. Oesten über den Fortgang der Arbeiten zur Rethra-Forschung.
Nach dem Stande der örtlichen Rethra-Forschung zurzeit der Abfassung meines Berichtes im Oktober 1904 erschien es erforderlich, zunächst eine eingehende Untersuchung der Ortschaft Prillwitz, des sie umschliessenden Geländes, der Linie Prillwitz-Bacherswall und der Ausdehnung der an letzterem Orte vorgefundenen wendischen Besiedlungs-stätte vorzunehmen. Diese Nachforschungen habe ich im November 1904 und Januar 1905 ausgeführt.
In Prillwitz sind zunächst an folgenden 10 Stellen Aufgrabungen bis auf den natürlichen „gewachsenen“ Boden hergestellt worden.
1. auf dem Hauslande des Pfarrhofes, östlich vom Stallgebäude desselben an der Stelle, wo nach Angabe der Pfarr-Chronik die bekannten gefälschten Prillwitzer Idole gefunden sein sollen.
2. Auf demselben Lande ca 40 m weiter nach der Lieps zu.
3. Daselbst noch 10 m weiter nach dem Lieps-Ufer hin.
4. Zwischen dem Gutshause und der Lieps ungefähr 15 m vom Ufer entfernt.
5. Innerhalb des Grossherzoglichen Schlossparkes 10 m vom Ufer entfernt beim Eisschuppen.
6. Daselbst 30 m weiter nach Süden dicht am Ufer, dem Schloss gegenüber.
7. u. 8. Im sogenannten Hasenholz, einer Bodenerhebung im sumpfigen Wiesenland beim Park.
9. u. 10. Vor dem Gutshause an der Mauer des Schlossparkes.
Ausserdem habe ich in allen für landwirtschaftliche Zwecke frisch aufgeworfenen Gräben, Kartoffelmieten, beackerten Bodenflächen usw. Gefässscherben und andere Reste gesucht, solche auch fast überall an den bezeichneten Stellen gefunden, jedoch nur aus nachwendischer Zeit, besonders viele aus dem XIV. Jahrhundert.
Die gegenwärtige Bebauung von Prillwitz besteht aus dem Wirtschaftshause mit den Hofgebäuden, dem Grossherzoglichen Schloss, Sommerresidenz des Grossherzogs, der Kirche, Pfarre, dem Schulhause, einem Gasthofe und mehreren Wohn- und Nebengebäuden der Hofbediensteten und Tagelöhner. Von der im 14. Jahrhundert erbauten Burg sind noch Mauerreste vorhanden. Die ältesten Gefässcherben in Prillwitz gleichen in Masse und Technik denen, welche ich an der Stelle der ehemaligen Askanierburg am Werbellin-See gefunden habe. Da diese Burg im Beginne des 14. Jahrhunderts und nur kurze Zeit bestanden hat, so ermöglichen die dort gemachten Scherbenfunde eine genaue Datierung des Alters der Besiedlung von Prillwitz. Es reicht nicht über den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück.
In den Gräben 4 bis 6 fand ich zwar drei geringe, von den Wellen abgespülte Scherbenreste, welche älter zu sein schienen, daher habe ich hier, nachdem im Januar eine tragfähige Eisdecke auf dem See entstanden war, von dieser aus im flachen Wasser, d.h. innerhalb der alten Uferlinie, der Horizontalen in 1,5 m Wassertiefe, mit dem Sackbohrer gebohrt. wendische Scherben haben sich jedoch auch hier nicht gefunden. Es kann daher auch der gegenwärtig unter Wasser liegende Teil des Geländes von Prillwitz zur Wendenzeit nicht bewohnt gewesen sein. Ist der Ort aber erst im Anfange des 14. Jahrhunderts gegründet worden, alsdann kann auch die Brodaer Stiftungsurkunde, welche Priulbitz wie auch Wustrow nennt, nicht vor dieser Zeit angefertigt worden und das Datum derselben 1170 muss eine Fälschung sein.
An der Stelle, wo gegenwärtig der Hauptzugangsweg in das noch jetzt inselartige Prillwitz führt, und wo auch in alter Zeit der Übergang vom festen Lande nach der Insel gelegen haben muss, habe ich die 4 Aufgrabungen 11 bis 14 ausgeführt. Fig. 1. Bei 11 liegt das Terrain etwa 1 m über dem gegenwärtigen Wasserspiegel. Bis zu 1,5 m Tiefe lagert hier aufgeschwemmter, vielleicht auch aufgetragener Sandboden, darunter liegen 30 cm schwarzer Torf, darunter bis zu 2,5 m Tiefe braune Pflanzenerde mit Holzresten. In 1,0 m Tiefe, also noch im aufgeschlemmten Boden fand ich einen eisernen Steigbügel, seiner Form nach etwa aus dem 12. Jahrhundert.
Bei Aufgrabung 12 liegt das Terrain 1,8 m über dem gegenwärtigen Wasserspiegel. Bis zu dieser Tiefe war Sandboden, darunter bis 2,5 m braune Holzerde vorhanden. In 2 m Tiefe unter Terrain, also unter Wasserlinie in der Holzerde fand sich ein halbes kleines Hufeisen, wenig verrostet.
Im Graben 14, mit der Terrainhöhe von etwa 2 m über Wasser stiess ich in 2,4 m Tiefe, also 0,4 m unter Wasser auf eine horizontal und parallel fest aneinander gepackte Lage von starken Hölzern. Etwas höher als diese ungefähr an der Grundwasseroberfläche lag ein kleines vollständiges Hufeisen mit starkem Rostansatz.
Im Graben 13, etwa 10 m von 14 entfernt, fand sich in der gleichen Tiefe derselbe Holzdamm wie in 14 wieder. Das Holz war oben weich, so dass man es mit dem Spaten abstechen konnte, darunter aber noch zäh, so dass der Spaten darin fast stecken blieb.
Eine senkrecht über beide Balkenreihen gerichtete Linie zeigte rechts an der Burg Prillwitz vorbei und würde das Ufer der Lieps an der Stelle treffen, welche dem Kietzwerder gegenüber liegt.
Für die Beurteilung des Alters dieser Strassenbefestigung, welche nach den Fundstücken zu schliessen einem von Reitern stark benutzten Wege angehört hat, dürfte zu berücksichtigen sein, dass sie tiefer liegt als der, wie bereits früher erwähnt, durch den Bau der Vierrademühle in Neubrandenburg im Jahre 1287 um durchschnittlich 1,5 m aufgestaute Wasserspiegel der Seen Lieps und Tollense. Demnach muss die Strasse vor dieser Zeit und auch vor der Gründung von Prillwitz bestanden haben. Ihre Richtung deutet auf eine Verbindung nach dem Nonnehof hin.
Nachdem sich gegen Ende Januar cr. eine tragfähige Eisdecke auf der Lieps gebildet hatte, habe ich diese benutzt, um am 26. bis 29. Januar das Längenprofil des Seegrundes in der Linie von Prillwitz über den Kietzwerder nach dem Bacherswall mit zahlreichen Querprofilen aufzunehmen, Fig. 2 und 3, nach welchen der Höhenschichtenplan Fig. 3 angefertigt worden ist. Es wurde dies möglich durch die tatkräftige Mitwirkung des Kammeringenieur Hrn. Reinhold in Neustrelitz, der auf mein Ersuchen die erforderlichen Messungen, Peilungen und die Kartierung ausgeführt hat. Zugleich ist von mir mit zwei Sackbohrer-Kolonnen der Seegrund der Lieps um die durch den Bacherswall abgetrennte unter Wasser liegende Spitze des Nonnenhofes herum von der Eisdecke aus abgebohrt worden. Die wenigen Frosttage des Januar, welche ein Betreten der Eisdecke zuliessen, hatten gerade hingereicht, diese Arbeiten zu vollenden. Als am 29. Januar der Vorsitzende des Kuratoriums der Rudolf-Virchow-Stiftung, Hr. Prof. Dr. Hans Virchow die Arbeitsstelle mit seinem Besuche beehrte und die Örtlichkeit besichtigte, war infolge des plötzlich eingetretenen Tau- und Regenwetters ein Passieren des Sees zu Eise schon nicht mehr ratsam. Es sei mir gestattet, hierbei mit grossem Dank auch der Unterstützung der Arbeiten durch Hrn. Pastor Bossart in Prillwitz zu gedenken, die er mir durch gastliche Aufnahme und Fürsorge gewährt hat.
Das Ergebnis der Winterarbeit möchte ich an der Hand der Abbildungen erläutern.
Der Höhenschichtenplan Fig. 3 zeigt zunächst die Lage und den Verlauf der Uferlinie in der Gegenwart und den zur Zeit der Redarier, letzteren in der Horizontalen 1,5 m unter dem gegenwärtigen Wasserstand, am Ufer bei Prillwitz, am Umfange des Kietzwerders und am Bacherswall. Man erkennt, in welchem Umfange das wasserfreie Land früher grösser war als der gegenwärtige Bestand. Die sich gegenüberstehenden Landspitzen des Prillwitzer Ufers und des Kietzwerders sowie dieser Insel und des Nonnehofes waren in alter Zeit näher aneinander gerückt und die Wasserzwischenräume waren kleiner. Die grösste Wassertiefe zwischen Bacherswall und Kietzwerder von 2,9 m war nach Abzug der Wassererhöhung von 1,5 m noch 1,4 m. Es hat sich aber bei den Tiefenmessungen herausgestellt, dass der Seeboden, wie auch in dem Längenprofil ersichtlich gemacht ist, oben aus einer weicheren Schlammmasse besteht, die mit der Messlatte leicht zu durchstossen ist und dass der feste Seegrund auf Strecken der Linie erst in grösserer Tiefe als 4 m unter gegenwärtigem oder 2,5 m unter altem Wasserspiegel anzutreffen ist. Da die abspülende Wirkung der Wellen bis in solche Tiefe nicht hinabreicht, so erscheint die Möglichkeit, dass eine Damm-Verbindung zwischen dem Bacherswall und dem Kietzwerder und von diesem nach Prillwitz bestanden haben könnte, die fortgespült worden sei, ausgeschlossen. Von Ueberresten einer Pfahl-Brücke in dieser Linie ist bei den zahlreichen Lotungen ebenfalls nichts gefunden worden. Die Möglichkeit einer geregelten Verkehrsverbindung zwischen dem Bacherswall und dem Prillwitzer Ufer als Fortsetzung der bei Prillwitz gefundenen alten Strasse, wird man deshalb jedoch nicht gänzlich ausschliessen können; eine solche Verbindung könnte durch Fähren auf den trennenden Wasserflächen aufrecht erhalten worden sein. In diesem Falle wäre eine befestigte Strasse auf dem Kietzwerder, dessen obere Bodenschichten weich und torfig sind, in seiner Längenausdehnung vonn 100 m notwendig gewesen, deren Reste bei noch ausstehender genauer Untersuchung des Bodens aufgefunden werden müssten. Wendische Besiedlungs-Reste finden sich auf dem Kietzwerder in seiner ganzen früheren Ausdehnung. Am Bacherswall ist durch die Bohrungen von der Eisdecke aus der Umfang der Fläche festgestellt worden, auf welcher Reste der Wendenzeit liegen. Sie hat eine runde Gestalt von 160 m mittlerem Durchmesser mit einem Flächeninhalt von rund 10500 qm oder 4 Morgen, wovon etwa 9000 qm unter dem gegenwärtigen Wasserspiegel liegen. Diese Stätte ist vom Lande durch den 20 m breiten Wall mit dahinter liegendem Graben abgetrennt. Jenseits des Grabens auf den angrenzenden Flächen des Nonnenhofes findet man wieder reichlich Reste der Wendenzeit. Die besiedelt gewesenen Flächen sind auf dem Plan durch Punktierung kenntlich gemacht.
Unter den beim Bacherswall gemachten Fundstücken befindet sich keins, welches auf eine Tempelstätte hindeuten könnte, die ganze Anlage aber macht den Eindruck eines besonders stark befestigt gewesenen Punktes als Teil des ganzen Besiedlungssystems im Liepsbruch, wie der Hanfwerder auch. Die vorhanden gewesenen starken Holzbauten sind durch Feuer zerstört, die Überreste wie die Umwallung durch die von allen Seiten angreifenden Wellen zerspült und zerrieben.
Hierbei muss ich erwähnen, dass auf dem südlichen Teil der an den Bacherswall angrenzenden flachen sandigen Erhebung, dem sogen. grossen Horst auf der Oberfläche zerstreut Gefässscherben liegen, welche von dem bekannten wendischen Typus abweichen. Die Gefässe sind ohne Töpferscheibe mit der Hand geformt, die Ränder nicht profiliert, die charakteristischen wendischen Verzierungen fehlen, sie gleichen denen der sogen. La Tène-Zeit die man im lande Stargard auf der Hochebene findet, wo wieder die wendischen Scherben der Niederungen, Werder und Inseln fehlen. Reste von Wohnstätten sind bei den Scherben nicht vorhanden, ebensowenig ist eine Spur von Leichenbrand aufzufinden, die Scherben haben also auch nicht einem Begräbnisplatze angehört. Es sieht so aus, als wenn sie von einer vorübergehend hier lagernden Volksgruppe zurückgeblieben seien.
Bei der Fortsetzung der Nachforschungen im Juni cr. bin ich vom Ostufer der Lieps und des Liepsbruches ausgegangen. Ich habe zunächst die auch von Brückner1 bereits erwähnten Pfähle in der Lieps zwischen der kleinen Insel „Heidesruh“ und der Einmündung des Liepswassers in den alten Graben aufgesucht und zwei derselben aufgefunden. Das Wasser war zu bewegt, um im Augenblicke mehr zu erreichen. Die Aussagen meiner Arbeiter, die ständig in diesem Teile des Liepsbruches als Torfarbeiter beschäftigt sind, bestätigen aber, dass eine Reihe von Pfählen hier vorhanden ist. Brückner hielt sie für den Rest einer Uferbefestigung des alten Grabens zum Schutze gegen Verschlammung. Ihre Bedeutung muss jedoch in anderem Lichte erscheinen, wenn man diese Pfahlstellung in Verbindung mit weiteren bei der Untersuchung ermittelten Tatsachen betrachtet. Die Pfähle stehen in festem kalkigen Seegrund, der sich in der Richtung nach dem Nonnenhof zu (Fig. 1 bei a) fortsetzt. An dieser Stelle ist seit der alten Zeit keine Verlandung oder Verschlammung vor sich gegangen, vielmehr hat Abspülung stattgefunden. Die Richtung der kürzesten Linie von den Pfählen nach dem festen Lande auf der Wustrower Seite trifft auf ein scharf eingeschnittenes Seitental des Steilufers im sogen. Hinter-Holz. Diesem Taleinschnitt entsprechend erstreckt sich, wie durch Sondierung festgestellt ist, eine Zunge von festem Boden in das torfige Wiesenland hinein. (Fig. 1 bei b.)
Der Abstand von dem Endpunkt dieser Landzunge bis zu den gegenüber am Ufer der Nonnenhof-Insel befindlichen Pfählen beträgt etwa 400 m und ist, so viel ich bis jetzt beurteile, der kürzeste zwischen dem festeren Boden auf beiden Seiten. Diese Linie (a-b) durchschneidet einen verlassenen Torfstich. In demselben sind seiner Zeit von den Torfarbeitern Krüger I u. II und Glanz, wohnhaft in Gross-Nemerow, eichene Hölzer gefunden worden. Ferner sind ebenfalls in dieser Linie durch die Torfstechmaschine ein ganzes menschliches Skelett und eine grössere Anzahl Menschen-Schädel zu Tage befördert worden. Diese Angaben bestätigt der Zieglermeister Schulz in Wustrow. Gegenwärtig werden in dem zurzeit noch betriebenen Torfstich unmittelbar neben der bezeichneten Linie a-b in dem Situationsplan (Fig. 1) Scherben, Knochen, viel Kohle usw. angetroffen. Alle diese Umstände deuten darauf hin, dass an dieser Stelle ein Eingang in das Inselterrain vorhanden gewesen und weiter aufzufinden sein und dass die Pfahl-Stellung am Ufer der Insel ein Eingangstor in diese bedeuten wird. Eine nähere Untersuchung durch Bohrung und Aufgrabung musste ich mir für spätere Zeit vorbehalten, weil ich auf Wustrower Gebiet war und mir noch die Erlaubnis des Besitzers von Wustrow fehlte, Aufgrabungen in seinen Wiesen vorzunehmen. Auch versagten meine anderweitig dringend beschäftigten Arbeitskräfte. Nachdem mir die erbetene Erlaubnis von dem Hrn. Baron von Maltzan bereitwilligst erteilt, auch nach Beendigung der Erntearbeiten meine Arbeiter wieder frei geworden waren, konnte ich im August die Nachforschungen fortsetzen.
Ich wandte mich aber nun in erster Linie der im Jahre 1886 bei der Ausschachtung des Wustrower Steinkanals entdeckten alten Brücke zu, über welche Brückner in der Zeitschr. f. Ethnol. 1887, S. (495) berichtet.
Die Brücke wurde an mehreren Stellen, mit ihrer Oberfläche 1 bis 1,2 m tief unter dem diesjährigen hohen Wasserspiegel, vorgefunden und freigelegt. Es stellte sich heraus, dass sie von einem natürlichen Landvorsprunge hinter dem Gutsgarten ausgehend mit einer Dammschüttung von etwa 30 m Länge beginnt und dass hier auf dem Ende des Dammes vor den Köpfen der Längsbalken die Antrittsschwelle der Brücke liegt, welche aus zwei starken Stücken Eichenholz besteht, wie dies die Skizze Fig. 4 zeigt. (Fig. 1 bei c.) Bis zum Steinkanal hin wurde alsdann die Brücke noch an drei Stellen frei gegraben und Teile des Bohlenbelags der Brücke, darunter solche der auf den Pfählen ruhenden Längsbalken und schwächeren Längshölzer, welche auf den Enden der Querschwellen zur Verbindung derselben und wahrscheinlich auch zur Begrenzung einer Aufschüttung von Steinschlag dienten, aufgedeckt. An zwei herausbeförderten Holzteilen der Brücke wurden deutlich Zapfenlöcher von der Form einer abgestumpften Pyramide und hierin die Art der Aufkämmung der Längsbalke der Brücke auf die Pfähle erkannt. Die Konstruktion der Brücke würde in Längs- und Querschnitt den Fig. 5 u. 6 entsprechen. Das Holz ist sämtlich Eichenholz, an der Oberfläche mehr oder weniger stark verwittert, im Innern fest und zäh.
An den aufgegrabenen Stellen markierte ich die Mitten der vorgefundenen Querschwellen durch Stangen und erhielt hierdurch eine gerade Linie als Längsachse der Brücke. Diese Linie wurde durch Einrichtung weiterer Stangen über den Steinkanal hinaus verlängert. Ihre Richtung ist genau die von Westen nach Osten und zeigt am Ufer des Tollense-Sees entlang an der Fischerinsel rechts vorbei in den dieser Insel gegenüber liegenden Landvorsprung. Da jenseits des Steinkanals der Sumpfboden mit der Entfernung vom festen Lande immer weicher und für das Wasser immer durchlässiger wird, so dass dieses bei einer Aufgrabung nicht mehr zu bewältigen war, wurde die Fortsetzung der Brücke mit Sonden gesucht. Hierbei wurde nun sehr viel festes Holz sämtlich in der Tiefe von 1,5 m unter dem gegenwärtigen Wasserspiegel mithin in gleicher Höhe mit dem alten aufgefunden und zwar nicht nur in der Achse der Brücke, sondern auch zu beiden Seiten derselben auf einer grösseren Fläche an mehr als hundert Stellen und in Abständen bis zu 20 m seitwärts von der Brückenlinie. (Fig. 1 bei d.) An 20 verteilten Stellen habe ich in diese Hölzer halbzöllige Gasröhren von 2 m Länge fest hineingeschlagen, die am unteren Ende zugeschärft und deren oberes Ende 0,5 m lang mit weisser Ölfarbe gestrichen ist. Sie stehen mit diesen weissen Enden zutage und bekunden, dass sie in der überall fast gleichen Tiefe von 1,5 m unter dem vorhandenen Wasserspiegel des weichen schwimmenden Moores in festem Holze stecken.
An zwei Stellen gelang es, die Hölzer durch Aufgrabung und Wasserbewältigung freizulegen und Teile davon herauszuholen. Es zeigte sich, dass es festes bearbeitetes nur aussen verwittertes Eichenholz ist. Das eine Stück enthielt auch das vorher beschriebene Zapfenloch in Gestalt einer vierseitigen Pyramide, mit dem es also auf einen Pfahl aufgekämmt oder in welches umgekehrt ein Stiel eingezapft war.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass hier am Ende der Brücke ein grösseres Bauwerk gestanden haben muss. Ob es der Rethra-Tempel sein konnte, mussten die nun in Angriff genommenen Bohrungen mit dem Sackbohrer zeigen. Diese Bohrungen wurden an verschiedenen Stellen sowohl innerhalb der Pfahlstellung und Lagerung der Schwellenhölzer als auch ausserhalb in deren Nähe und bis zu 8 m Tiefe unter Wasser ausgeführt, der herausbeförderte Boden wurde sorgfältig durchsucht. Es fand sich nirgend eine Spur von Kohle, das vorhanden gewesene Gebäude war also nicht niedergebrannt. Von Gefässscherben wurden in der Tiefe von 2 bis 3 m bei drei Bohrungen einzelne Stücke, Knochen wurden ebenso sparsam, geschlagene Steine von gleicher Grösse wie grobe Mosaiksteine reichlich in der Tiefe von etwa 1,5 m gefunden .
Nach diesem Befund kann das Bauwerk keine Wohnstätte, auch nicht der Kriegs- und Opfertempel der Redarier gewesen sein, wohl aber wäre es geeignet, als das Tor vor dem Tempel, das dritte, kleinere, „quae orientem respicit“ angesprochen zu werden. Man hätte alsdann die Tempelstätte dahinter zu suchen.
Bei den Bohrungen an dieser Stelle wurde noch eine bemerkenswerte Beobachtung gemacht. Aus der Tiefe der Hölzer und noch etwas tiefer und zwar nur aus dieser Schicht wurden bei jeder Bohrung viele Stücke von Zweigen verschiedener Hölzer mit dem Moorboden hervorgeholt. Diese Stücke sind ausgewittert, zerbrechlich, weich und zerfallen an der Luft. Ich hielt sie zuerst für angespült. Sie sind aber nicht abgerollt, sondern an der Oberfläche wohl erhalten. Es finden sich darunter häufig Stücke mit Schnittflächen, namentlich an den stärkeren Enden. Diese Schnittflächen erscheinen an den aus dem Grunde kommenden Stücken so frisch, als wäre sie soeben gemacht worden. Man sieht auf der Schnittfläche noch die kleinsten Scharten, die das Messer oder Beil gehabt und abgedrückt hat. Die Zweige sind daher nicht angeschwemmt, sondern auf den Torfboden gepackt gewesen, sie haben allem Anscheine nach dazu gedient, diesen für den darauf gelegten Schwellrost tragfähiger zu machen. Sie liegen da, wo das Moor für einen stehenden oder Pfahlrost zu tief wird oder den Erbauern so erschien. Ich habe an diesen Stellen 8 m tief gebohrt und ein eisernes Rohr von 11 m Länge in den weichen Boden eingesenkt, ohne festen Grund zu finden. Die Fundamentierung auf liegendem Rost mit untergepackten Reisern beginnt anscheinend da, wo die Tiefe des festen tragfähigen Grundes mehr als 5 bis 6 m beträgt.
Es lassen sich nun hinter dieser grösseren Ansammlung von Pfählen und Balken in der Richtung der Brückenachse noch auf eine Länge von 40 m am Ufer der Tollense entlang feste Hölzer und diese in der gleichen Tiefe wie vorher von 1,5 m unter dem gegenwärtigen Wasserspiegel nachweisen, alsdann hört aber das Holz auf. Die Bemühungen, insbesondere von diesem Ende aus einen durch Holzreste gekennzeichneten Verbindungsweg nach der Fischerinsel zu finden, waren bis jetzt erfolglos. Immerhin weisen die gefundenen Reste von Holzbauten unverkennbar auf die Fischer-Insel hin und diese wurde nunmehr auch der Gegenstand weiterer Nachforschungen. Inzwischen habe ich hierzu, wie ich hier einschalten möchte, in der Person des cand. arch. Hrn. Erich Brückner, des Enkels des verstorbenen Medizinalrat und Rethraforschers Brückner eine schätzenswerte und tatkräftige junge Hülfskraft gewonnen.
Gegenwärtig im Beginn der Arbeiten auf der Fischerinsel zeigt sich bereits, dass hier die Reste der Redarierzeit besonders auch von Holzbauten sehr zahlreich sind. Sie sind auch der Art, dass auf eine besondere Bedeutung dieses Ortes geschlossen werden darf. Nach den bisherigen Aufgrabungen und Bohrungen ist auf einem grossen Teile der Inselfläche eine künstliche Holzbefestigung des weichen torfigen Bodens vorhanden gewesen. Diese Fussbodenbefestigung hat die in der Skizze Fig. 7 wiedergegebene Konstruktion gehabt, Auf einer Unterlage von Zweigen, welche, wie bereits bemerkt zur Vermehrung der Tragfähigkeit des ockeren Bodens in diesen eingedrückt erscheinen, liegen Planken, welche durch kurze Pfähle gegen seitliche Verschiebung gesichert sind, auf den Planken, rechtwinklig zu ihrer Richtung, Langhölzer, auf diesen wieder Querhölzer, teils Planken, teils Knüppel aus Birken, Espen und anderen Hölzern und hierauf geschlagenen Steine in der Grösse und Art grober Mosaiksteine. Die Steine sind dann mit einer Lehmbodenschicht bedeckt und verbunden.
Dieser Bestand der Bodenbefestigung ist an vielen Stellen mehr oder weniger verschoben und zerstört an einer Stelle bis jetzt noch sehr gut erhalten vorgefunden worden. Planken und Langhölzer sind Eiche, die Pfähle in der Regel aus weichen Hölzern. Neben der Insel und zwar vor ihrem nordöstlichen Ufer im und auf dem Grunde des Sees liegt viel starkes Eichen-Bauholz, zumeist in nordsüdlicher und westöstlicher Richtung, also rechtwinklig gegeneinander und zwar auf einer Fläche von 600 bis 800 qm. (Fig. 1 bei e.) Die Insel hat wie erklärlich früher, namentlich in der Richtung nach Norden und Osten zu, einen erheblich grösseren Umfang gehabt, als sie gegenwärtig zeigt. Ein grosser, wahrscheinlich der grösste Teil der früheren Insel liegt gegenwärtig unter Wasser. An Fundstücken sind bereits viele wendische Scherben mit Randstücken von besonders kühner und eleganter Profilierung und Verzierung, sehr viele Knochen, Kohlen und angebrannte Eichenholzstücke, gebrannte Lehmmasse, Leder, an Eisen und Metallteilen: Nägel, Messer, Schnalle, ein bronzener Schläfenring usw. zu Tage befördert worden.
Den unter Wasser liegenden Teil der alten Insel beabsichtige ich im Winter von der Eisdecke aus näher zu untersuchen. Bei offenem Wasser und bewegter Luft, wenn die Wellen den zwei Meilen langen See herunterrollen und am Ufer der Insel branden, sind diese Arbeiten zu schwierig, man glaubt, namentlich wenn bei unsichtiger Luft das Ende des Sees dem Blicke entzogen ist, am Strande des Meeres zu sein.
In der oberen Bodenschicht der Fischerinsel findet man auch Scherben und Reste, Ziegelsteinstücke, Netzbeschwerer usw. aus neuerer Zeit und bis zum 14. Jahrhundert zurück wie in Prillwitz und auch in Wustrow. Die Insel ist von Fischern immer besiedelt gewesen. Von einem „castrum Wostrow“ der Brodaer Urkunde ist hier jedoch nichts vorhanden. Dasselbe lag da, wo sich gegenwärtig der Gutshof befindet. Teile der Fundamente der alten Burg aus Feldsteinen und Ziegeln vom Klosterformat habe ich hier durch zwei Aufgrabungen freigelegt, das „Wostrow castrum cum villa“ der Brodaer Urkunde hat mit der in der Luftlinie 600 m davon entfernt im tiefen Wasser isoliert liegenden Fischerinsel nichts zu tun.
Im November cr. bin ich dann noch zwei Tage auf dem östlichen Teile des Nonnenhofes mit einer Untersuchung der Beschaffenheit des Bodens durch Sondierung, Bohrung und Aufgrabung beschäftigt gewesen, um hier vielleicht die Überreste eines Zuganges in das Inselterrain von dieser Seite zu finden. Wegen Kürze der verfügbaren Zeit habe ich diese Arbeit nicht vollenden können, sie hat aber das Ergebnis gehabt, dass der Teil der Neuverlandung von der Tollense her, welcher in der wendischen Zeit Wasser oder schon damals unbewohnbarer tiefer Sumpf gewesen sein muss, durch die in dem Plan (Fig. 1) verzeichnete punktierte Linie (f-g) abzutrennen ist, wodurch eine dreihörnige Gestalt der zur Wendenzeit vorhanden gewesenen besiedlungsfähigen Landoberfläche erheblich schärfer hervortritt, als bisher zu vermuten war.
Oesten, Gustav: Bericht über den Fortgang der Arbeiten zur Rethra-Forschung, in: Zeitschrift für Ethnologie, Jahrgang 37, Heft 6, Sitzung vom 16. Dezember 1905, S. 981-990
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1 Zeitschr. f. Ethn. 1883, S. 41.