Digitalisiert durch: rethra.wordpress.com
II.
Ein Beytrag
zur ältern Geschichte Mecklenburgs, und besonders über die Lage der Stadt Rethra, und des Tempel des Radegasts. (S. 2. Stück. Febr. 1790. S. 99 u.f.) Beschluß.
Um einigermaßen die Lage der Stadt Rethra kennen zu lernen, wollen wir zweytens noch etwas über die Lage des Landes der Rhedarier reden.
Durch Carl M. Zug in Sachsen – das Land zwischen Rhein und Elbe an der Nord-See – und Ueberwindung derselben werden wir erst mit den Wenden, und zwar mit den Wilsen und Obotriten bekannt; erstere, und alle dazugehörige Stämme, waren republicanisch, und die letztere hatte einen immerwährenden Oberhaupt. Wie die Burg von Magdeburg angeleget ward, zerstörten die Wilsen 782 das Schloß, wurden aber nachhero von den Sachsen und Obotriten überwunden. Hierauf soll der König Carl M. durch Pommern nach die Weichsel gegangen, und durch die Markt wieder zurückgekommen seyn; bei welcher Gelegenheit er die Wilsen aus der Stadt Alt-Brandenburg jagete, und mit den Harlungern besetzte.
Unter Ludewig I., der einen Grenz-Grafen in Sachsen zu Stade 820 ansetzte, waren die Wilsen und Obotriten Vasallen, und erschienen 823 auf dem Reichstag zu Frankfurth am Main; und 825 zu Ingelheim, Fürsten der Wilsen und Obotriten, die darum izt hauptsächlich in der Geschichte nur vorkommen, weil sie Grenznachbahren der Sachsen, längst der Elbe herunter waren. Durch Bedrückung der sächsischen Grenz-Grafen gereitzet, giengen die Wilsen 898 wieder von ihrer ehemaligen Stadt Brandenburg, und vertrieben die Harlunger. Und da die Obotriten mit den Wilsen Parthei machten, und Hamburg zum 2ten mahl 909 zerstöreten, so kamen die Sachsen sehr ins Gedränge. Dieses suchte der Kaiser Heinrich A. zu rächen, und er belagerte auch im Winter 926 die Grenz-Stadt Brandenburg, und jug die Wilsen abermahl heraus, und eroberte sicher, wie der Erfolg giebt, viel Land der Wilsen. Denn bis itzo hat man in der Geschichte noch nichts von den Rhedariern gelesen, weil sie zu weit von der Elbe abwohneten. Der Kaiser errichtete 927 ein neues Markgrafthum, und setzte den neuen Markgrafen in Brandenburg an, wie 928 einen in Meissen. Dieses wollten die Wenden nicht zugeben, weil sie voraussahen, wie auch nachhero geschah, daß der Markgraf ihnen nur unterjochen würde, und sie beschlossen dieses Markgrafthum bei Zeiten zu zerstören. Die Anführer waren nun die Rhedarier; die Grenz-Nachbaren der Mark Brandenburg, soweit nemlich Heinrch A. die Wilsen unterjochet hatte; diese fielen in Verbindung der Ucharer dem Markgrafen ins Land. Allein des Kaiser H. Feldherrn kamen ihnen über den Hals und belagerten ihre Vestung Lunkin; am 5ten Tage der Belagerung kamen die Wenden zum Entsatz, und wurden entweder todtgeschlagen, oder in einen benachbarten See gejaget; und dieses war 930, vonwo wieder eine neue Epoche der Wenden begann.
Frank hält den Ort für das heutige Glynk oder Neu-Strelitz; allein, da die Ueberlieferung dergleichen nicht kennt, sondern nur, daß hier vor Alters wahrscheinlich nach Broda gehörige Geistliche gewohnet, und auch der See nicht von der Beschaffenheit ist, daß fliehende Feinde nicht anders, als durch den See müssen; so halte ich diesen Ort für Lindow, wo ebenfalls ein großer See ist, der eine solche Lage hat, daß fliehende Feinde hinein gejaget werden können. Dieses trift auch besser mit der Beschreibung überein. Die Rhedarier waren izt noch Grenz-Nachbaren des neuen Markgrafenthums, welches itzo noch nicht weiter, als höchst bis Fehrbellin und Ruppin reichen möchte.
Nun kehren wir wieder zur Geschichte zurücke. Bis 936 war alles in Ruhe, und die Wenden kamen ihre Verbindlichkeiten nach. Viele nahmen das Christenthum, den Schein nach, nur an, und viele behielten allein ihren alten Götzendienst. Allein nach dem Absterben des Kaisers Heinrichs A. versuchten die Wenden nochmahl ihre ehemaligen Länder wieder zu erobern; sie wurden aber 940 zurücke geschlagen und dem Kaiser alle zinsbar, die zwischen der Elbe, und Oder, ausgeschlossen die der Pene zu und in Pommern wohneten. Und nun legte Otto M. 2 neue Bißthümer an, zu Oldenburg und Havelberg; und bewies durch diese letzte Stiftung, daß er itzo auch die Priegnitz, und das Stargardische erobert, mithin den Rhedariern bereits viel Land abgenommen hatte; aber doch noch nicht ganz vertilget. Denn sie, die Kyssiner und Rugianer, oder besser Ranen, welche alle Pommern begreifen, waren damals noch unbekehret, und Rethra mit dem Tempel im vollem Flor. Rechnete der Kaiser das Land Müritz, Tholenz, oder Stargard und Priegnitz unter dem, was ihm eigen gehörte, so wäre es doch besonders, daß er Rethra’s Götzendienst nicht bereits in seinem eroberten Lande zerstöret hatte, und es erst 955 that.
Die Gelegenheit hiezu gab ein neuer Krieg der Rhedarier, Circipaner und Kyssiner, welche einen kaiserlichen Feldherrn in einem Treffen erschlugen. Aufgebracht, kam der Kaiser Otto M. 955 mit seinem Sohne Ludolph selbst nach Mecklenburg, wie es itzo, außer Stargard, welches dem Kaiser eigen war, und unter den Markgrafen Gero stand, genannt wird, schlug die vereinigten Wenden unter Anführung des Ranei-Fürstens Stoisgar, der nebst vielen Gefangenen enthauptet wurde. Denn die Wenden ließen keinen gefangenen Christen leben, und also übeten die Christen wieder das Verbot, das Widervergeltungs-Recht. Nun nach diesem Siege gieng der Kaiser Otto über den Fluß Rana, Raxa eroberte Rethra, und zerstörete diese Stadt, und das Götzenbild Radegast, welches letztere von Gold war, und nach Alt-Brandenburg 956 verschenket wurde, welches Bißthum 949 gestiftet war.
Wo lag nun diese Stadt? weit in der Rhedarier Land muß sie doch gelegen haben; da Carl M. auf seinem Zug hievon nichts erfahren hatte; auch Otto M solche nicht mit zu seinem Eigenthum rechnete; ob er gleich das Land Müritz, Tholenz, Stargardt, Priegnitz dafür erklärte. Doch erst bleiben wir der Ordnung nach bei der Geschichte.
Wie der Kaiser 966 wieder nach Italien gehen mußte, wurden die Wenden abermahl unruhig; und er antwortete den beiden Markgrafen von Brandenburg und Sachsen: Sie sollten ja auf die Rhedarier Acht haben, welche den Sachsen viele Drangsale angethan, und ihnen nichts schenken. Diese konnten sie aber nicht zwingen, sondern ließen geschehen, daß die Stadt Rethra, und der Götzendienst, obwol schlecht, wieder aufgebauet und eingerichtet wurde.
Nach dem Tode Otto M. 973, der die Wenden im Zaum gehalten, gieng der Lärm wieder an; und 982 eroberte Mistewoi II. in Verbindung der Wilsen, worunter die Rhedarier gewis auch gewesen sind, Brandenburg und Havelberg, und schlugen hier auch die Bischöfe todt. Unter Otto III., der 987 seinem Vater folgte, war wiederum Krieg mit den Wilsen, der für sie so übel ablief, daß sie viele Schlösser niederreißen musten. – Ao. 991 griffen die Wilsen, in Verbindung der Loitzer u. Obotriten wieder zu den Waffen, und eroberten durch Verrätherei eines Sachsen, Brandenburg; der hernach die Stadt dem Kaiser auf eben der Art wiederum so in die Hände spielte. Die Wenden belagerten sie aufs neue, und fielen sogar in Ostphalen ein; allein dieser Krieg endigte sich mit einen Frieden Ao. 996, worinn die Wenden ruhig zu seyn versprachen; welcher aber nach Ao. 1002, das Sterbe-Jahr des Kaisers, wieder gebrochen wurde. Obgleich diese Geschichte nicht viel von Rhedarier mehr sagt, die in dieser Periode beinahe im Verfall gerathen waren, so bemerken wir doch, daß die Wilsen wieder sehr mächtig geworden, und von ihren alten Lande vieles wieder erobert hatten.
A.C. 1017 berief Mistewoi III. Alle Wenden nach Rethra, und berathschlagete daselbst wegen einen Krieg mit den Christen, der auch 1018 und 1020 ausbrach, verbrannten die Stadt Brandenburg, und jagten den Markgrafen von Land und Leuten, welches er verdient hatte. Nun gieng es über die Christen her, die alle getödtet wurden; und hierauf opferte Mistewoi III. den Svantewit auf Rügen – nicht den Radegast – eine güldene Schale. Nach dessen Tode dauerte die Verwirrung; bis die Rhedarier und Tollenser auch das Christenthum, als Grenz-Nachbarn der Märker annehmen wollten. Hierüber wurden die Loitzer, einer der edelsten Nation der Wilsen aufgebracht, und wollten nicht zugeben, daß jemand von dem Landtagsschluß Rethra abgehe: das Christenthum wieder anzunehmen; und fielen um 1050 in Verbindung der Circipaner den Rhedariern und Tollensern – auch Wilsen – ins Land; wobei sie aber zu kurz kamen, und der Macht des Königs von Dännemark, Herzogs Bernhards und Fürsten Godschalks weichen musten.
Ao. 1066 brachen die Wenden wider die Christen aufs neue loß; sie tödteten selbige in Lenzen, Ratzeburg, und Michlinburg u. in welcher letztern Stadt sie den Kopf des Bischofs Johannes abhaueten, und trugen ihn auf einer Stange nach Rhetra, und opferten solchen den Götzen Radegast. In diesem Kriege wurden alle Bißthume erbärmlich verwüstet, und erst nach 84 Jahren wieder aufgerichtet. Nach 10 Jahren Verwüstung erhielten die Wenden einen neuen Fürsten, der ganze 30 Jahr mit seinen Nachbarn im Friede lebte; aber Christenthum war sowenig unter Obotriten, Warinern als Wenden der Ostsee zu, von der Stadt Alt-Brandenburg abgerechnet, die die Wilsen besetzt hatten.
Von nun an lesen wir von Rhedra und Rhedarier und Tollenser kein Wort mehr, obgleich Loiticier, Wariner, Kyssiner, Linonen genannt werden, welches uns aufmerksam machen muß zu fragen: ob Rhedra und Radegast seit 1066 zerstöret worden, und von wem? In der großen Verwüstung 1163-65 durch Heinrico Leone, wie Wenden-Land und Pommern zur Wüste gemacht wurden, kann dieses nicht geschehen seyn, obwol durch den berühmten Vertrag 1166 zwischen Heinr. L. und Pribislaus das Christenthum durch die Menge der Deutschen durchaus eingeführet, und der Götzendienst ausgerottet wurde; weil zu vermuthen ist, daß vorhero noch, und itzo einer so berühmten Stadt und Zerstörung wäre gedacht worden. Entweder diese Stadt ist durch den bekannten Creutzzug der Christen 1147, oder 1151, wie die Kyssiner und Circipaner die sächsische Herzogs-Steuer nicht bezahlen wolten, zerstört; oder die Rhedarer sind Christen geworden, haben die Götzen abgeschaft, und ihre Stadt, die nie zerstöret worden, einen andern, oder den rechten Nahmen gegeben, und der Beinahme Rhedra, herrlich, ist verschwunden. Bei dem Creutzzuge wird keiner Zerstörung einer Stadt oder Tempel gedacht; sondern nur, daß die Wenden sich hätten taufen lassen. Bei der Züchtigung der Kyssiner und Circipaner – unter diesen Nahmen konnten Rhedarier und Tollenser begriffen seyn – zerstöreten die christl. Holsten, unter andern einen großen Götzentempel; welchen? wir kennen diesseits der Peene nur Radegast in Rhedera. Und was die letzte Meinung betrift, so ist sie auch nicht ganz zu verwerfen; denn Rud, Red, Redder, heißt Herrschaft, und Reddera drückte sodann eine Residenz, oder eine Landtagsversammlung aus. Oder aber: die Stadt hat von den Nahmen des Götzens, der nach seiner deutschen Bedeutung “fertiger Geist” Radegast, genannt wird, seinen Nahmen erhalten. Hiewider wäre die wichtige Frage zu beantworten: wie sind Wenden zu den teutschen Nahmen eines Gottes gekommen? Dittmar nennet einen Götzen Luasarici, der in der Stadt Reddergast, d.i. Hlawa-Radce, höchste Rathgeber – gestanden habe. Diesemnach wäre Riedegast, Rethra, blos Beinahmen der Deutschen, und nicht Radegast, sondern Luasarici der rechte Nahmen des Götzens, der soviel als höchster Rathgeber anzeigte.
Hätte Frank Recht, daß Otto M. jenseits der Racknitz in Pommern hinein die Stadt Rhedera, und den Götzen Radegast zerstöret habe; so würden wir nach Wolgast und Usedom gehen; denn nach Taciti Bericht ist von Alters auf einer Insul in einem Walde eine Gottheit die Erlhe erwehnet worden, welches er nemus castum oder besser gastum nennet, und Waldgeist ausdrücket. Und sodann ließe sich der Nahme Radegast erklären, weil die Ranen Ur-Deutsche waren, und so auch der Stamm der Rheddarier, die vornehmsten der Ranen, erklären; daß auf Usedom Landtäge gehalten worden, und daß 3 am Meer wohnende Völker, Rheddarier, Kyssiner, und Rugianer 948 unbekehrt geblieben; daß Wolgast auch Rheddera, die geschmückte, zubenahmet; und die Luisaricer, Loitzer, als die vornehmste Nation der Ranen in Pommern, bevor sie von den Wenden unterjochet, und umgeschmolzen waren, diesen Abgott den Nahmen gegeben haben.
Allein dieses streitet wider die Geschichte mehrentheils; und wir können das Land der Rhedarier, und ihrer Stadt, wenn sie gleich ursprünglich Ranen auf dem Lande, d.i. Teutsche gewesen sind, und nachhero durchaus wendische Sitten und Sprache angenommen haben, nicht nach Pommern hinsetzen. Die Rhedarier grenzten unten an den Kyssiner, deren beiden Gränzen wahrscheinlich an die Recknitz giengen, die ihnen von den Ranen hier scheideten. Sodann kamen die Loitzer und Dimminer, d.i. Circipaner und Tollenser an der Ostseite, und gegen Westen waren die Werler und Wariner. Weiter herauf nach die Havel zu lagen gegen Westen die Heroller, Ucharer und Wilsen, und auf der andern Ostseite machte wahrscheinlichdie Müritz, und hernach die Smeldinger und Haveler und Ruppiner die Gränze. Hat dieses seine Richtigkeit: so besaßen die Rhedarier vor Otto Magni Zeiten einen langen schmalen Strich Land von der Rechnitz an, bis über Lindau und Wittstock hinaus, mithin stand ihnen auch das Land Thurne zu, welches nächst mehrern der benannte Kaiser O. ihnen abnahm, und es dem Bißthum Havelberg, laut Fundations-Brief von 946, einverleibete. Durch diese Eroberungen wurden die Rhedarier in sehr enge Gränzen eingeschlossen, und wahrscheinlich jenseits der Peene von Grubenhagen an bis fast hinter Dargun, und so bis zur Recknitz. War das an Havelberg geschenkte Land Müritz, Tholenz u. des Kaisers Eigenthum, und er hatte es selbst erobert, so wäre es unerklärbar, daß derselbe den Götzen zu Rhederau, er mag an der Tollensee, oder an der Müritz gelegen haben, ruhig stehen lassen. Aber sodann dürfen wir auch Rhederow, oder den Götzentempel sowenig an der Müritz, als an der Tollensee aufsuchen, sondern weiter herunter an der Grenze der Kyssiner und Ranen, die mit unsern Rhedariern am längsten unbekehrt, und von Christen unbesucht blieben.
Erst neun Jahr nach der Stiftung des Bißthums Havelberg gieng Otto M. über den Fluß Rana, und zerstörete die Stadt Rhedderow von 9 Thoren, 4 Tage Reise d.i. 16 Meilen von Hamburg. Heißt der Fluß Rana, so hat er damals den Nahmen von den Völkern geführet; den Ranen, die hier von alten Zeiten gewohnt haben. Ist der Kaiser von Mecklenburg, oder Suerin hergekommen, so ist es der Fluß Recknitz diesseits Sülte bis Tessin und Lage; und ist er von Brandenburg herunter gekommen, so ist die Peene zwischen Grubenhagen bis zum Cummerower See so genannt worden, weil die Rhedarer, als Ranen, hier wohneten. Der Name Rugi, Ruani war ein uralter Nahme der ersten Einwohner Pommerns; denn die Wenden nannten die vorgefundenen Teutschen Po-mor-Rani, die Ranen am Meer; dieses ist unser Pommern; und die andern Ranen, die Loitzer, Dimminer und Rhedarier, die nicht am Meere wohneten, erhielten ihren Nahmen von Städten und Flüssen.
Die Rhetra an der Tollensee bei Prillwitz setzen, haben viele Wahrscheinlichkeit für sich, da man hier Götzen, die viele aber nur für Haus-Götzen halten, Ueberbleibsel von Gebäuden, und eine Insul mit der Tollensee gefunden hat. Allein es kann hiewider außer obigen noch eingewandt werden: daß die hier gelegene Stadt nicht sehr ansehnlich gewesen seyn kann; angenommen, daß die Stadt von Steinen gebauet gewesen, denn eine von Holz nach der Wenden weise vergeht ohne geringste Ueberbleibsel; und daß die Insul vermittelst einer Brücke mit der Stadt itzo nicht zu vereinigen istm es müste denn vordem die Tollensee viel kleiner gewesen seyn, und die Insul größer, und so groß, daß sie mit der Stadt hat verbunden werden können. Doch noch ein Umstand ist hier zu bemerken: um der Insul stehet zwar viel Reth oder Rohr, aber Holz stehet nicht darauf, und hat auch wol nie darauf stehen können; es sey denn, wie gesagt, die Tollensee viel niedriger und kleiner gewesen, wodurch die große Tiefe wol wegfallen könnte. Indes ist dieses doch eher glaublich, als das, daß die Ostsee vor Alters bis Neubrandenburg gegangen sey, mithin ganz Pommern See; wowider aber alle Geschichte, und die älteste Städte in Pommern streiten. Diese Hypothese hat sicher nur gleichen Grund, als die von Craters, die die Einbildung schaft.
Meine Leser werden nun von mir erwarten, ihnen die rechte Lage von Rhetrau nachzuweisen; allein ich muß bekennen, daß ich noch nicht die höchste Gewißheit hievon anzugeben vermag, so viel ich auch darüber nachgedacht. Vielleicht gebe ich durch mein Zweifeln Gelegenheit, daß man bald etwas gewisseres von der Lage der Stadt erfahre. Damit ich aber nicht ganz leer davon scheide, will ich zu den vielen Hypothesen noch eine und funkelnagelneue hinzuthun, mit der doch wenigstens das mehrste, was nur die Geschichte saget, übereinstimmet.
Man wird aus meiner Vorstellung vom Lande der Rhedarier, wie es seit Otto M. Einschränkung gewesen ist, es hinlänglich bemerket haben, daß ich die Stadt Rhedrau zwischen Grubenhagen, Malchin und Dargun; Lage, Tessin und Sülte zu setzen gedenke. Und wohin? nach Teterow, eine Stadt der Rhedarier. Bei dieser Stadt liegt ein großer tiefer See, und in derselben eine Insul.
Dieser Ort ist 4 Tagereisen, d.i. 16 Meilen von Hamburg, wenn die Müritz und Tollensee 5 – 6 Tagereisen sind; diese Gegend besaß nicht Carl M., nicht Heinrich A., noch Otto M., nachdem er bereits Herr des Landes Müritz und Tollensee war, über den Fluß Rana gehen mußte, diese Stadt zu zerstören; und erklärbar, daß die Loitzer, Circipaner – d.i. Dimminer u. – und Kyssiner 1049 den Rhedariern und Tollensern ins Land fielen, weil sie das Christenthum wieder den Landtagsschluß zu Rhederau anzunehmen Mine machten; nach welcher Stadt nach 17 Jahren des Bischofs von Mecklenburg Kopf nachgetragen wurde. Und so blieb hier alles bis 1105 unter Cruco heidnisch; von welchen an unter Heinrich eine neue Periode begann, der dem Herzog in Sachsen Magnus Lehnpflichtig wurde, bis 1125 den Fürstentribut entrichtete, und alle Wenden unter seine Bothmässigkeit brachte. Wie der berühmte Creutzzug der Christen 1147 nach Mecklenburg geschah, wurden die Einwohner zwischen Teterow und Rostock noch nicht bekehrt, denn die Holsteiner zerstöreten auf ihren Zug 1151 noch einen Götzentempel, und wahrscheinlich auch die Stadt, die bis 1272 ein unansehnlicher Ort blieb; und von 1166 an waren die Grenzen der Circipaner, Kyssiner, Rhedarier unkenntlich geworden, und von diesen Vlkern, weil auch hier alles Christenthum angenommen hatte, gar nichts mehr, so wenig, als von ihren Götzen Radegast zu hören. Ich sage nicht, daß das heutige Theterau das alte Rhederau ist, sondern diese letztere Stadt kann, wenn die auf wendische Art schlecht von Holz gewesen ist, im Grunde verbrannt und vergangen, und das neue Theterow nachhero an andern Ort mit Veränderung des Nahmens angeleget seyn. Der Nahme Rheterow war verhast; und mithin gaben sie den Ort einen neuen Nahmen Theterow, doch so, daß man ihren ersten Nahmen nicht verkennen möge. Doch dieses mag jemand, der diese Gegend besser, wie ich kennet, umständlicher auseinander setzen: und, ob Theterow das alte Rethra ist; oder an einem andern Ort dieser Gegend an einem tiefen See gelegen habe?
– – t.
Anonymus (t): Ein Beytrag zur ältern Geschichte Mecklenburgs, und besonders über die Lage der Stadt Rethra, und des Tempel des Radegasts., in: Monatsschrift von und für Mecklenburg, Dritter Jahrgang, Viertes Stück, April 1790, II., Wilhelm Bärensprung, Schwerin 1790 S. 225-238
Digitalisiert durch: rethra.wordpress.com
Pingback: ANONYMUS (T)/1790/TETEROW, TETEROWER SEE | RETHRA